Offener Brief – Sofortiger Stopp der Planungen zum Neubau der B239 im Kreis Lippe

09.05.2022

Dieser Brief wurde heute – im Vorfeld der Landtagswahl 2022 in Nordrhein-Westfalen an Vertreter aus der Politik in Lippe, Düsseldorf und Berlin versendet. Das Bündnis freut sich auf den Dialog

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit dem Jahr 2019 wird der Widerstand gegen den geplanten Neubau der B239 im Kreis Lippe vor allem über das Bündnis pro Mensch & Natur -kein Neubau der B239 in Lippe organisiert und getragen. Das Bündnis stellt einen einzigartigen Zusammenschluss von über 30 Organisationen, Vereinen, Verbänden und Einzelpersonen dar und erfährt eine große Unterstützung in der Bevölkerung. Beim Bündnis handelt es sich um ein besonders breites gesellschaftliches Spektrum aus den Bereichen Natur- und Umweltschutz, Landwirtschaft, Heimat, Politik und Wirtschaft.

Kein anderes Projekt ist in der Region aufgrund seiner massiven & schwerwiegenden Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Mensch so umstritten wie der Neubau der B239. Es ist an der Zeit, das in den 1960er Jahren geplante Projekt sofort und endgültig ad acta zu legen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/die Grünen und der FDP vom 1.12.2021 ist das Ziel festgelegt „ die Klimaschutzziele für 2030 und 2045 mit dem Ziel der Dekarbonisierung des Mobilitätsbereiches“ zu erreichen und „die praktische Umsetzung deutlich zu beschleunigen“.

Desweiteren streben die Koalitionäre „einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an“ und wollen bei den „laufenden Bedarfsplanüberprüfung einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-,Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplan“.

Hierfür fordern wir einen klaren Rahmen wie beispielsweise einen dringend notwendigen CO2-Deckel zur Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehrsbereich (vgl. Klimaschutzgesetz § 13).

Desweiteren ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, jetzt in den im Koalitionsvertrag vereinbarten Dialog zur Überprüfung des BVWP einzusteigen. Wann konkret wird dieses Verfahren beginnen und wie wird es organisiert?


Das Bündnis für Mensch & Natur ist sich allerdings sicher, dass im Falle der Neubauplanung der B239 bei einer Überprüfung des BVWP das Ergebnis nur lauten kann, die Planungen schnellstmöglich zu beenden.

Auch weil die Mittel für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur bei weitem nicht ausreichen werden (Beispiel A45) und fast täglich neue Schreckensmeldungen beispielsweise über den katastrophalen Zustand der Brückenbauwerke veröffentlicht werden, ist eine Umsetzung einer Neubauplanung dieser Dimension, mit diesen enormen Kosten und mit diesen massiven Auswirkungen nicht zu verantworten.

Das Bündnis Mensch & Natur hat konkrete Alternativen aufgezeigt, wie mit einem weitaus geringerem Teil der Neubaukosten schnell und effektiv Maßnahmen für einen besseren Verkehrsfluss umgesetzt werden könnten. Anstatt weiterhin große Summen in die Planung eines Projektes zu investieren, dass aller Voraussicht nach nie in der jetzt geplanten Form umgesetzt werden kann, sollte man einen Teil des Geldes – nach einer konkreten Bedarfsprüfung und im Dialog - lieber hier investieren. Als Stichworte seien hier nur kurz eine moderne, intelligente Ampelschaltung, der Bau von Rad- und Fußgängerbrücken und der Bau von Kreisverkehren an Knotenpunkten genannt.

Anstelle eines Neubaus fordern wir zeitnah eine intelligente Verkehrsführung auf der gesamten Verbindung von der Anschlussstelle an der A2 bis nach Detmold. Neue Technologien bei der anonymen Erfassung von Fahrzeugen bis hin zu einzelnen Fußgängern im Querungsverkehr in selbstlernenden Systemen sind denkbar. Die Vorteile einer fortschrittlichen Digitalisierung der Verkehrssteuerung liegen auf der Hand: 

  • Weniger Planungs- und Zeitaufwand bei bedeutend geringeren Kosten unter Nutzung bestehender Lichtzeichenanlagen und Erweiterung bestehender Steuerungen.
  • Mit Umsetzung einiger baulicher Maßnahmen (intelligente Streckenalternativen in Stadtbereichen, sinnvolle Kreuzungsaufwertung durch mehr Platz für Links- oder Rechtsabbieger, Grüner Pfeil) kann der Verkehrsfluss im Bestand deutlich erhöht werden.
  • Ein positiver Klimaeffekt und Kraftstoffeinsparungen gehen mit weniger “Stop and Go” einher.


Die Fahrzeiten auf der Gesamtstrecke kann für alle Verkehrsteilnehmer so deutlich reduziert werden. Dies ist erheblich günstiger und schneller als der derzeit geplante Neubau.

Neue dramatische und bis vor kurzem kaum vorhersehbare Herausforderungen stehen vor uns. Die aktuelle Situation in der Ukraine zeigt uns, dass wir nicht ständig damit fortfahren können, Flächen im großen Stil endgültig zu versiegeln. Auf diesen Flächen werden nie wieder Nahrungsmittel, Futtermittel oder nachwachsende Rohstoffe wachsen. Die Flächen werden nie wieder als Wald oder als natürliche Rückzugsräume zur Verfügung stehen.

Eine Stilllegung von Ackerflächen ist nichts anderes als Vorhalten von Flächen, die in Krisen für eine bestimmte Zeit zeitnah reaktiviert werden können. Eine Versiegelung von Ackerflächen ist eine unumkehrbare Zerstörung von in Jahrtausenden gewachsenem Mutterboden.

Wenn die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele tatsächlich erreicht werden sollen und man das Artensterben und den Klimawandel wirklich ernsthaft angehen will, ist es dringend geboten die jetzt wichtigen und derzeit drängendsten Probleme anzugehen.

Für die Neubauplanung der B239 können die aufgeführten Punkte in der Konsequenz nur den sofortigen Stopp bedeuten.

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung und einen konstruktiven Dialog.

Herzliche Grüße aus dem Kreis Lippe

Vertreter Bündnis pro Mensch & Natur- kein Neubau der B239 in Lippe